8. Mai 2013

WIE IM MÄRCHEN? (Marios Märchenstunde Teil 5)



[Teil 1] [Teil 2] [Teil 3] [Teil 4]


Fast jeder kennt klassische Grimm-Märchen wie "Aschenputtel", "Der Froschkönig" und "Rapunzel". Doch fast niemand kennt sie...




SEI KEIN FROSCH!

In "Der Froschkönig" spielt eine junge Prinzessin mit ihrem liebsten Spielzeug, einer goldenen Kugel.
--- Nein, das ist.. äh, nein.
Das ihr auch immer etwas Sexuelles draus machen müsst, schämt euch!

Jedenfalls fällt die Kugel in einen tiefen Brunnen. Dort haust zufälligerweise ein sprechender Frosch, welcher der Prinzessin verspricht, ihr Spielzeug aus dem Brunnen zu holen. Als Lohn dafür verlangt er, als Geselle im Schloss aufgenommen zu werden, sowie mit der Prinzessin persönlich speisen und im gleichen Bett schlafen zu dürfen. Die Königstochter willigt ein, obwohl sie eigentlich nicht vorhat, die Forderungen des forschen Frosches zu erfüllen.
Doch am nächsten Tag kommt das Tier ins Schloss und will seinen Wucherlohn fürs Kugel-aus-dem-Brunnen-holen. Der König zwingt seine Tochter, ihr Versprechen einzuhalten und so muss sie sich mit dem Frosch nun Tisch und Bett teilen.




Der Frosch, der in Wahrheit ein verwandelter Prinz ist und durch einen Kuss zurückverwandelt wird - den gibt's in diesem Märchen nicht. Stattdessen schmettert die Prinzessin hier vor lauter Zorn und Ekel den wehrlosen Frosch mit aller Kraft gegen die Wand, um ihn zu ermorden.
Aus mir nicht hundertprozentig verständlichen Gründen bricht dies den Zauber und der Frosch ist plötzlich ein Prinz.

"Sie packte den Frosch mit zwei Fingern und trug ihn hinauf in ihre Kammer, legte sich ins Bett und statt ihn neben sich zu legen, warf sie ihn bratsch! an die Wand; "da nun wirst du mich in Ruh lassen, du garstiger Frosch!"

Aber der Frosch fiel nicht todt herunter, sondern wie er herab auf das Bett kam, da wars ein schöner junger Prinz."


Viele Menschen glauben, das Märchen "Schneewittchen" ende mit einem magischen Kuss, was jedoch in den Märchen der Brüder Grimms nicht passiert, wohl aber in der bekannten Disney-Verfilmung [mehr dazu hier].
Beim Froschkönig liegt der Fall ähnlich. Auch hier ist der Kuss eine recht moderne Änderung des Originals, vielleicht inspiriert von anderen Geschichten, in denen andere verwandelte Prinzen durch einen Kuss in ihre wahre Gestalt zurückgezaubert werden: Wie in der Disney-Version von "Die Schöne und das Biest"  - nicht aber im Märchen, auf dem der Film basiert (dort wird das Biest durch Tränen von seinem Fluch befreit).

In keiner der traditionellen Variationen des Märchens, die es neben der Grimm-Version noch so gibt, ist ein Kuss für die Metamorphose von Frosch in Mensch verantwortlich. Ein mit dem Froschkönig verwandtes schottisches Märchen wurde bereits 1548 in "The Complaynt of Scotland" aufgeschrieben und übertrifft die Grimm-Geschichte in punkto Coolness sowohl im Märchennamen als auch im Ende: Die Erzählung "The Well of the World's End" endet nämlich damit, dass der Frosch sich in einen Prinzen verwandelt - nachdem die Prinzessin ihm auf eigenen Wunsch hin den Kopf abschneidet...

"Chop off my head, my hinny, my heart,
Chop off my head, my own darling;
Remember the promise you made to me,
Down by the cold well so weary."

("The Well at the World's End", Version aus "English Fairy Tales" [1890] von Joseph Jacobs)




Das Fehlen der Kuss-Szene ist nicht trivial. "Man muss viele Frösche küssen, um den Traumprinzen zu finden" ist nicht gleich "Man muss viele Frösche an die Wand werfen, um den Traumprinzen zu finden".
Die Botschaft der ersten Variante ist in etwa, dass man Menschen (oder Frösche) nicht nach ihrem Aussehen beurteilen sollte, weil das Äußere täuschen kann und nur das Innere wirklich wichtig ist. Wenn man sich die Mühe macht, hinter die Fassade zu blicken, könnte man überrascht werden.
In der ursprünglichen Version mit dem an die Wand geknallten Frosch hat die Prinzessin allerdings kein Interesse an der Persönlichkeit des Frosches, sondern behandelt ihn wie Scheiße und versucht alles, um ihn loswerden und schreckt dabei auch vor Gewalt nicht zurück. Trotzdem heiratet sie den Prinzen, nachdem der Froschfluch gebrochen ist, weil er nun gut aussieht und Macht und Reichtum besitzt. Und die Moral der Geschicht'?...
Nun seid ihr dran.

Es stellt sich heraus, dass ihr gar nicht so Unrecht hattet. Die prominentesten Deutungen interpretieren das Märchen als eine sexuelle Metapher.
Zitat aus Wikipedia:

"Das Märchen stellt quasi durch die grüne Farbe des Froschs auch das Prinzip der ersten sprunghaft initiierenden Öffnung, sprich aber auch allgemeinen Hoffnung dar: Erlösung vom singulär tierischen, naiv unschuldigen Zustand und erwachend waches Wachstum (der kleine Frosch wird zum großen Prinzen)"

Der Frosch wird als Phallussymbol gedeutet, was mir Sorgen um den Urheber dieser These bereitet. Er sollte wohl wirklich mal zum Arzt gehen, wenn sein Penis in irgendeiner Weise wie ein Frosch aussieht.
Jeder muss wissen, wie glaubwürdig er diese Interpretationen findet, ich will da gar nicht werten und etwas Negatives über diesen absurden Schwachsinn sagen.

Man betrachte die Geschichte einmal aus der Perspektive des Prinzen im Froschpelz. Die Prinzessin gibt sich einzig und allein mit ihm ab, weil er ihr ein Versprechen aufgedrängt hat und ihr Vater sie zwingt, es einzuhalten. Und selbst dann kann sie die Gegenwart des Frosches nicht ertragen und versucht, ihn zu töten. Muss wohl Liebe sein.
Oder sind meine persönlichen Erfahrungen da nicht repräsentativ?..



MAKE YOUR OWN KIND OF MUSIC

Wenn wir uns an Details aus Grimm-Geschichten falsch erinnern, liegt das oft an neueren, bekannteren Versionen, in denen klassische Märchen oft stark abgeändert wurden. Manchmal liegt es aber auch an stark irreführenden Titeln. So geht es in dem Märchen "Die Bremer Stadtmusikanten" um vier Tiere, die im gesamten Märchen nicht musizieren und sich auch zu keinem Zeitpunkt in der Stadt Bremen aufhalten.

Zu Beginn der Story erfährt ein Esel auf einem Bauernhof, dass er bald getötet werden soll, da er alt ist und keinen Nutzen mehr hat. Obwohl er wohlgemerkt die menschliche Sprache beherrscht und als Attraktion damit wohl die ein oder andere Mark einbringen könnte...
Der Esel flüchtet vom Hof und trifft unterwegs drei weitere todgeweihte Tiere, eine Katze, ein Hund und ein Hahn, die sich ihm anschließen. Sie halten sich für gute Musiker und beschließen, nach Bremen zu reisen, um dort eine Karriere als Stadtmusikanten anzustreben. Doch dorthin gelangen sie nie...



Am ersten Abend der Reise entdecken die vier Gefährten ein Haus, in dem eine Bande von Räubern haust, die gerade beim Abendessen zusammen sitzt. Gemeinsam ersinnen die Tiere einen Plan, um die Bude zu besetzen. Sie stapeln sich übereinander und machen so laut Krach wie sie nur können. Der Esel gibt sich zum Glück für seine Freunde mit der untersten Position in der Formation zufrieden.
Durch das "entsetzliche Geschrei", das die Tiere mit ihren Stimmen machen, und dadurch dass sie die Fensterscheibe zertrümmern, lassen sich die Räuber schließlich vertreiben. So können sich die Tiere in Ruhe ihre Mägen vollstopfen. Da es ihnen in dem Haus so gut gefällt, beschließen sie, dort zu bleiben und ihren Lebensabend dort zu verbringen.

Einige Zeit später kehren die Räuber noch einmal zurück und werden von den Hausbesetzern gewaltsam vertrieben.

"Aber die Katze verstand keinen Spaß, sprang ihm ins Gesicht, spie und kratzte. Da erschrak er gewaltig, lief und wollte zur Hinterthüre hinaus, aber der Hund, der da lag, sprang auf und biß ihm ins Bein, und als er über den Hof an der Miste vorbei rennte, gab ihm der Esel noch einen tüchtigen Schlag mit dem Hinterfuß"


Obwohl die ungleichen Gefährten also keine Musikanten werden, leben sie zumindest den Lifestyle und lassen sich nieder, wo es ihnen gerade passt, zerstören die Einrichtung, fressen die Vorräte auf, ohne jemals daran zu denken, dafür zu bezahlen, und verprügeln Leute, die ihnen absolut nichts getan haben.
Rock'n'Roll, Baby!




ALLES EINE ZOPFSACHE!

Meine Erinnerung an das Märchen "Rapunzel" geht in etwa so: Eine junge Frau mit enormem Haarwuchs, aber einer Abneigung gegen Frisöre, wird gegen ihren Willen in einem Turm festgehalten. Ein Prinz kommt vorbei und klettert an Rapunzels heruntergelassenem Zopf in den Turm und... happy end.

Aber das ergibt in etwa soviel Sinn wie ein Gefängnisfilm, der damit endet, dass Komplizen von Inhaftierten es schaffen, in ein Gefängnis einzubrechen.
Da ich das Märchen neulich einmal in der originalen Grimm-Fassung aus der 1. Auflage der "Kinder- und Hausmärchen" von 1812 gelesen habe, muss ich sagen: Danke, liebe Grimms, wieder eine meiner Kindheitserinnerungen zerstört!

Die Geschichte beginnt damit, dass eine schwangere Frau ständig Heißhungerattacken bekommt. Da leckere Lebensmittel noch nicht erfunden waren, wirft sie ein Auge auf die Rapunzeln ihrer Nachbarin und steigert sich ein ganz klein wenig in ihr Verlangen rein.

"Eines Tages stand die Frau an diesem Fenster und sah hinab, da erblickte sie wunderschöne Rapunzeln auf einem Beet und wurde so lüstern darnach, und wußte doch, daß sie keine davon bekommen konnte, daß sie ganz abfiel und elend wurde. 
Ihr Mann erschrack endlich und fragte nach der Ursache; "ach wenn ich keine von den Rapunzeln aus dem Garten hinter unserm Haus zu essen kriege, so muß ich sterben.""


Ihr Mann stibitzt der Nachbarin einige der Rapunzeln, nach denen dann schließlich auch seine Tochter benannt werden wird. Der Begriff "Rapunzel" ist nicht mehr gebräuchlich, was gut ist, denn die heutzutage übliche Bezeichnung hatte das Märchen noch seltsamer erscheinen lassen, als es ohnehin schon ist. "Feldsalat, Feldsalat, lass dein Haar herunter!" klingt einfach nicht so gut...

Die Nachbarin ist eine böse Fee namens Frau Gothel. Als sie den Diebstahl bemerkt, fordert sie als Preis für ihr Gemüse das ungeborene Kind des Paares. Die werdenden Eltern haben eine solche Angst vor der Frau, dass sie einwilligen. Kurz nach der Geburt holt sich Frau Gothel das Baby ab. Als Rapunzel zwölf Jahre alt ist, sperrt die Fee das Mädchen in ein Turmverlies, das weder über eine Tür noch eine Treppe verfügt. Fragt sich nur, wie sie das anstellt...

Immer wenn die Fee das eingesperrte Mädchen besucht, ruft sie den Satz "Rapunzel, Rapunzel, lass dein Haar herunter" und klettert dann am Zopf von Rapunzel den Turm hinauf. Wenn ihr mich fragt, hätte sie sich die Anrede "Rapunzel, Rapunzel" auch sparen können, es ist ja sonst niemand in dem Turm und daher wird aus dem Kontext relativ klar, wer gemeint ist.




Eines Tages kommt ein Prinz an dem Turm vorbei, hört Rapunzel singen und verliebt sich sofort in sie. Er beobachtet sie eine Weile und sieht, wie die Fee an Rapunzels Zopf den Turm hochklettert. Als die Fee wieder verschwunden ist, ruft der Prinz laut: ...hab ich vergessen, irgendwas halt, jedenfalls lässt Rapunzel daraufhin ihr Haar herunter und der Prinz klettert zu ihr in den Turm.

Um ihre Kopfhaut nicht allzu sehr zu belasten, wickelt Rapunzel den Zopf, bevor sie ihn herunterlässt, immer an einem Fensterhaken fest. Damit ist sie eigentlich nur einen Schritt von einer gelungenen Flucht entfernt. Nun hätte sie nur etwas Scharfes gebraucht (z.B. eine Scherbe aus der Fensterscheibe), um ihren Zopf abzuschneiden und sie hätte sich selbst daran abseilen können.
Allerdings würde die böse Fee sie wahrscheinlich verfolgen. Daher wäre es wohl das Beste, sie würde die Alte einfach umbringen. Dazu könnte sie beispielsweise ihren Zopf benutzen und die Fee damit erwürgen. Das wäre doch mal eine coole Kampftechnik, falls mal jemand auf die Idee kommen sollte, Märchenfiguren als toughe Superhelden zu inszenieren. Aber das wäre ja lächerlich!




Allerdings darf man nicht vergessen, dass Rapunzel im Märchen ja erst zwölf Jahre alt ist. Somit wäre eine Gewaltszene total unangebracht und nicht altersgerecht.
Unsere Erzählung geht damit weiter, dass der Prinz mehrfach Sex mit der heißen Zwölfjährigen hat.

Einige Zeit später beklagt sich Rapunzel darüber, dass ihr ihre Klamotten nicht mehr passen. Eine Gewichtszunahme könnte man ja durchaus mit dem Bewegungsmangel erklären, der entsteht, wenn man Tag und Nacht in einem Turm gefangen gehalten wird. Doch die Fee vermutet sofort richtig, dass Rapunzel schwanger ist.

"Rapunzel erschrack nun anfangs, bald aber gefiel ihr der junge König so gut, daß sie mit ihm verabredete, er solle alle Tage kommen und hinaufgezogen werden. So lebten sie lustig und in Freuden eine geraume Zeit, und die Fee kam nicht dahinter, bis eines Tages das Rapunzel anfing und zu ihr sagte: "sag’ sie mir doch Frau Gothel, meine Kleiderchen werden mir so eng und wollen nicht mehr passen.""



Ab der zweiten Auflage ist Rapunzel nicht mehr schwanger. Dadurch, dass die Grimms diesen Aspekt umgeschrieben haben, musste nun eine andere Szene her, die erklärt, wie die Fee Rapunzel auf die Schliche kommen. Die Kreativ-Session die zu der neuen Variante geführt hat, stelle ich mir in etwa so vor:

"Also wir sind uns einig, dass wir die Schwangerschaft rausschreiben?"
- "Ja. Aber wie erfährt denn die Fee stattdessen von dem Prinzen?"
- "Wir brauchen etwas Unerwartetes, Cleveres."
- "Mmmmh."
- "Vielleicht...
Ne, lieber...
Oder...
Nein, das ist auch nicht gut.
Hast du eine Idee?"
- "Wie wäre es, wenn...
zum Beispiel...
Ach, ich weiß auch nicht."
- "Man darf Genies auch nicht unter Zeitdruck setzen. Uns fällt bestimmt etwas Großartiges ein! Und wenn es die ganze Nacht dauert!"

[Ein Freund der Grimms kommt aufregt ans Fenster und ruft:] - "Hey, vor der Taverne kämpft ein Hund gegen einen Bär! Das müsst ihr euch anschauen!"

Und zwei Minuten später ward diese Perle der Literaturgeschichte erschaffen:

"Die Zauberin aber kam nicht dahinter, bis eines Tages das Rapunzel anfing und zu ihr sagte: "sag’ sie mir doch Frau Gothel, sie wird mir viel schwerer heraufzuziehen als der junge König.""



Die Fee schickt Rapunzel in ein Haus in der Einöde, wo sie fortan allein (ab der zweiten Auflage) oder mit den Zwillingen, die sie einige Monate später bekommt, leben muss. Zuvor schneidet sie ihr aber noch die langen Haare ab und stellt damit dem Prinzen eine Falle. Als er Rapunzel besuchen will, lässt sie den abgeschnittenen Zopf herunter und der Prinz klettert daran hoch. Oben angekommen trifft er auf Frau Gothel, die ihm mitteilt, er werde Rapunzel nie wieder sehen. Vor Trauer stürzt sich der Prinz aus dem Turm. Er überlebt den Sturz, schafft es aber irgendwie, dabei zu erblinden.
Von nun an irrt er weinend durch die Gegend, auf der Suche nach Rapunzel.

Ein paar Jahre später kommt er zufällig an Rapunzels Haus in der Wildnis vorbei, erkennt sie an ihrer Stimme und fällt ihr um den Hals. Als ihre Freudentränen in seine Augen fallen, ist er nicht mehr blind. (Obwohl wir zuvor eigentlich erfahren haben, dass seine Augen "ausgefallen" waren...)

"Da wurde der Königssohn ganz verzweifelnd, und stürzte sich gleich den Thurm hinab, das Leben brachte er davon, aber die beiden Augen hatte er sich ausgefallen, traurig irrte er im Wald herum, aß nichts als Gras und Wurzeln, und that nichts als weinen. 

Einige Jahre nachher geräth er in jene Wüstenei, wo Rapunzel kümmerlich mit ihren Kindern lebte, ihre Stimme däuchte ihm so bekannt, in demselben Augenblick erkannte sie ihn auch und fällt ihm um den Hals. Zwei von ihren Thränen fallen in seine Augen, da werden sie wieder klar, und er kann damit sehen, wie sonst."


An dieser Stelle endet die Geschichte. Vermutlich leben die beiden zusammen glücklich bis an ihr Lebensende. Wenn die böse Fee das nächste Mal nach ihrer Gefangenen schaut.





AUF DEM FALSCHEN FUSS

Das Märchen "Aschenputtel" ist so populär, dass wir die Titelfigur unter verschiedenen Namen kennen, wie "Aschenbrödel" (im DDR-Märchenfilm) oder "Cinderella" (in der Disney-Zeichentrickversion, die auf der französischen Version von Charles Perrault basiert).

In der Fassung der Brüder Grimm handelt das Märchen von einem Mädchen, das neben dem Herd schlafen muss und daher immer schmutzig ist und deswegen von ihren Stiefschwestern und ihrer Stiefmutter hämisch "Aschenputtel" genannt wird.
Aschenputtel wird von ihrer Stiefmutter und deren Töchtern regelmäßig gemobbt und als persönliche Sklavin missbraucht, wogegen ihr Vater anscheinend keine Einwände hat.

Als der hiesige Kronprinz eine Braut für sich sucht, hält er ein riesiges, drei Tage dauerndes Fest, zu dem auch Aschenputtels Stiefschwestern geladen sind. Als Aschenputtel den Wunsch äußert, auch zu der Feier gehen zu wollen, trägt ihr die böse Stiefmutter stattdessen die Aufgabe auf, aus einer Schüssel voller Linsen die schlechten auszusortieren.
Glücklicherweise kommen zwei sprechende Tauben gerade zur rechten Zeit zum Fenster hineingeflogen und bieten ihre Hilfe an.

"Da kniete es sich vor den Heerd in die Asche und wollte anfangen zu lesen, indem flogen zwei weiße Tauben durchs Fenster und setzten sich neben die Linsen auf den Heerd; sie nickten mit den Köpfchen und sagten: "Aschenputtel, sollen wir dir helfen Linsen lesen?" "Ja, antwortete Aschenputtel:
die schlechten ins Kröpfchen,
die guten ins Töpfchen.""




So bescheren die Tauben dem Mädchen einen frühen Feierabend.
Am nächsten Tag bekommt Aschenputtel eine ähnliche Sortier-Aufgabe, die wiederum von den sprechenden Tauben erledigt wird. Danach fragen sie Aschenputtel, ob sie nicht auch zu dem königlichen Ball möchte. Zunächst winkt sie ab, da sie nicht das Richtige zum Anziehen hat. Doch auch daran haben die cleveren Vögel gedacht. Auf ihren Rat hin begibt sich Aschenputtel zum Grab ihrer Mutter, wo ein Zauberbaum ihr ein prächtiges Kleid schenkt. Zudem erscheint auf magische Weise eine prächtige Kutsche, die Aschenputtel zum Schloss fährt.

Kleider machen Leute: Aschenputtel sieht nun so gut aus, dass nicht einmal ihre Stiefschwestern sie wiedererkennen, als sie auf der Party auftaucht. Der Prinz hält sie für eine ausländische Prinzessin und verliebt sich sogleich in sie.
Eigentlich hätte all dies auch am ersten Abend des Festes passieren können, der erzähl-technisch vollkommen überflüssig ist. Aber im Märchen muss halt immer alles drei mal passieren.

Am dritten Abend passiert das Gleiche wie am Abend zuvor. Aschenputtel bekommt eine langwierige Aufgabe, die die Tauben für sie erledigen und ein neues prachtvolles Ballkleid vom Zauberbaum. Wieder steht Aschenputtel im Zentrum der Aufmerksamkeit, besonders beim Prinzen und wieder erkennen ihre Stiefschwestern sie nicht. Der entscheidende Unterschied ist, dass der Prinz diesmal Vorkehrungen getroffen hat, um zu verhindern, dass Aschenputtel wie am Vorabend verschwindet, ohne ihre Identität preiszugeben.
So hatte er die Treppe mit Pech einschmieren lassen, was Aschenputtel allerdings nicht davon abhält, das Fest erneut inkognito zu verlassen. Jedoch verliert sie dabei einen ihrer goldenen Schuhe.



Der Prinz versucht, die unbekannte Prinzessin anhand ihres Schuhs wiederzufinden, da dieser außergewöhnlich klein ist. Als er in Aschenputtels Haus kommt, freuen sich die bösen Stiefschwestern, da sie sehr kleine Füße haben. Ihre pragmatische Mutter gibt ihnen ein Messer in die Hand und den Ratschlag, ein Stück von ihrem Fuß abzuschneiden, falls der Schuh doch nicht passt. Warum auch nicht?!

"Hört, sagte die Mutter heimlich, da habt ihr ein Messer, und wenn euch der Pantoffel doch noch zu eng ist, so schneidet euch ein Stück vom Fuß ab, es thut ein bischen weh, was schadet das aber, es vergeht bald und eine von euch wird Königin." 


Vielleicht habe ich da irgendwas nicht richtig verstanden, aber die ganze Schuh-Nummer kommt mir unnötig kompliziert vor. Der Prinz kennt Aschenputtel nach zwei Abenden nicht wirklich gut und hat sich wohl hauptsächlich wegen ihres guten Aussehens in sie verliebt. Würde er sie daher nicht bereits wiederkennen, wenn er sie erneut zu Gesicht bekommt?
Sie hat ja keine Maske getragen, sondern nur andere Klamotten. Wenn man Menschen nur wiedererkennen würde, wenn sie die selbe Kleidung tragen wie am Tag des Kennenlernens - dies wäre eine sehr seltsame, einsame Welt, andererseits aber auch voll von lustigen, sitcom-artigen Verwechslungen.

Absurde Geschichten gab es damals. Aufgrund unserer überlegenen modernen Popkultur wissen wir es heute besser. Durch "Superman" lernen wir, dass andere Kleidung nicht ausreicht, um seine Identität geheimzuhalten - man muss zudem noch eine falsche Brille aufsetzen!
Es sei denn natürlich, man ist He-Man, klar.
Sowas sollte wirklich zur Allgemeinbildung gehören!

Der Prinz sucht also die unbekannte Schönheit anhand ihrer glücklicherweise abnormal kleinen Schuhgröße. Der goldene Pantoffel passt allerdings auch Aschenputtels Stiefschwester, nachdem sie sich ein Stück von ihrem Fuß amputiert hat. Der Prinz denkt sich, wenn der Schuh passt, habe er wohl die Richtige gefunden und reitet mit ihr zum Schloss. Doch die sprechenden Tauben verpetzen sie, als sie am Grab von Aschenputtels Mutter vorbeikommen.

"Das Mädchen hieb ein Stück von der Ferse ab, zwängte den Fuß in den Schuh, verbiß den Schmerz und gieng heraus zum Königssohn. Da nahm er sie als seine Braut aufs Pferd und ritt mit ihr fort. Als sie an dem Haselbäumchen vorbeikamen, saßen die zwei Täubchen darauf und riefen
"rucke di guck, rucke di guck,
Blut ist im Schuck:
der Schuck ist zu klein,
die rechte Braut sitzt noch daheim.""


Jetzt wird es etwas unglaubwürdig, aber wie gesagt, im Märchen muss immer alles drei mal passieren: So probiert die andere Stiefschwester den exakt gleichen Trick nochmal, bevor der Prinz die Richtige findet. Sie schneidet ihre Zehen ab, da sie von ihrer Mutter weiß, dass das ja nichts schadet und einen sicherlich auch nicht beim Gehen beeinträchtigt. Der Trick funktioniert allerdings auch beinahe wieder, denn der Prinz hat nichts aus der vorigen Nummer gelernt, überprüft den Fuß der Frau nicht und reitet erneut mit seiner vermeintlichen Braut davon. Doch auch sie wird von den sprechenden Tauben verraten.
Selbst wenn die Tauben geschwiegen hätten - ich weiß nicht genau, wie sich die junge Dame das Ganze vorgestellt hatte. Der Prinz ist sicherlich nicht der hellste Kopf, aber selbst er hätte doch irgendwann die fehlenden Zehen an seiner Ehefrau bemerkt, oder? Vielleicht nicht.



Auf jeden Fall reitet der Prinz wieder zurück, Aschenputtel probiert den Schuh an und er passt. Wer hätte das erwartet.
"Eine sehr schöne Szene für das Ende des Märchens und um süße, unschuldige Kinder ins Reich der Träume zu schicken" - dies haben die Brüder Grimm wohl nicht gedacht und daher in späteren Auflagen eine Szene hinzugefügt, in der die Tauben in Hitchcock-Manier den Stiefschwestern die Augen aushacken.

"Als die Hochzeit mit dem Königssohn sollte gehalten werden, kamen die falschen Schwestern, wollten sich einschmeicheln und Theil an seinem Glück nehmen. Als die Brautleute nun zur Kirche giengen, war die älteste zur rechten, die jüngste zur linken Seite: da pickten die Tauben einer jeden das eine Auge aus. Hernach als sie heraus giengen, war die älteste zur linken und die jüngste zur rechten: da pickten die Tauben einer jeden das andere Auge aus."

So wird ein Schuh draus!




A WOLF AT THE DOOR

Eines der bekanntesten Märchen der Brüder Grimm ist "Rotkäppchen". Darin wird ein junges Mädchen von ihrer Mutter zu ihrer Oma geschickt, um ihr einen Korb mit Kuchen und Wein zu bringen.
Die Großmutter lebt allerdings abgelegen in einem Wald, eine halbe Stunde von Rotkäppchens Dorf entfernt. Das war wohl damals die Alternative dazu, alte Menschen in ein Seniorenheim abzuschieben.

Auf dem Weg zur Oma begegnet Rotkäppchen einem sprechenden Wolf, der sie fragt, wohin sie gehe. Rotkäppchen verrät ihr, wo ihre Großmutter wohnt und zieht nichtsahnend weiter.




Schließlich erreicht sie das Haus ihrer Oma. Doch die sieht irgendwie etwas anders aus, als Rotkäppchen sich an sie erinnert. Nämlich exakt so wie ein Wolf.
Das Mädchen merkt, dass die Oma an diesem Tag etwas seltsam ausschaut, nicht aber dass es ganz offensichtlich nicht ihre Großmutter ist - was nur damit zu erklären ist, dass die Familie die arme alte Frau normalerweise in ihrem einsamen Haus im Wald derart verwahrlosen lässt, dass sie nicht so ohne weiteres auf den ersten Blick von einem wilden Wolf zu unterscheiden ist.

"Drauf ging es zum Bett und zog die Vorhänge zurück, da lag die Großmutter und hatte die Haube tief ins Gesicht gesetzt und sah wunderlich aus. 
"Ei Großmutter, was hast du für große Ohren!" – "daß ich dich besser hören kann." – 
"Ei Großmutter, was hast du für große Augen!" – "daß ich dich besser sehen kann." – 
"Ei Großmutter was hast du für große Hände!" – "daß ich dich besser packen kann." – 
"Aber Großmutter, was hast du für ein entsetzlich großes Maul!" – "daß ich dich besser fressen kann." 

Damit sprang der Wolf aus dem Bett, sprang auf das arme Rothkäppchen, und verschlang es."




Rotkäppchen bemerkt nicht, dass ihre Großmutter plötzlich nicht nur anders aussieht, sondern auch eine andere Stimme hat, was gewöhnlicherweise bedeutet, dass es sich nicht um die Person handelt, die man erwartet hatte. Auch gibt sie sich mit den Erklärungen für Omas merkwürdiges Aussehen zufrieden und glaubt ihr, dass sie seit ihrem letzten Treffen bedeutende, aber evolutionstechnisch nützliche Mutationen erfahren hat.
Das Mädchen wird vom Wolf gefressen. Ende.

In der französischen Fassung des Märchens, bereits 1697 von Charles Perraut aufgeschrieben, ist hier nun tatsächlich Schluss.
Die Grimm-Version tackert zusätzlich noch ein Happy End an, in dem ein Jäger aus dem Nichts auftaucht. Dieser tötet den Wolf und befreit Rotkäppchen und ihre Großmutter unversehrt aus dessen Magen. Allerdings nicht in dieser Reihenfolge, wie man es vielleicht erwarten würde.

"Rothkäppchen aber holte große schwere Steine, damit füllten sie dem Wolf den Leib, und wie er aufwachte, wollte er fortspringen, aber die Steine waren so schwer, daß er sich todt fiel.

Da waren alle drei vergnügt, der Jäger nahm den Pelz vom Wolf, die Großmutter aß den Kuchen und trank den Wein, den Rothkäppchen gebracht hatte, und Rothkäppchen gedacht bei sich: du willst dein Lebtag nicht wieder allein vom Weg ab in den Wald laufen, wenn dirs die Mutter verboten hat."




So wird die Moral der Geschichte, nicht vom Wege abzukommen und in den gefährlichen Wald zu wandern, stark abgeschwächt, da dies im Endeffekt für Rotkäppchen keine negativen Konsequenzen hat und der Wald durch den Tod des Wolfes sicherer wird.

Doch es ist sowieso im Kontext der Erzählung eine sehr seltsame Moral. Denn in der Grimm-Version trifft das Mädchen den Wolf auf dem rechten Weg und verrät ihm den Aufenthaltsort der Oma. Erst danach überredet der Wolf das Mädchen, den Weg zu verlassen, um für ihre Großmutter Blumen zu sammeln. Das bedeutet, selbst wenn Rotkäppchen nicht vom Wege abgekommen wäre, hätte der Wolf seinen Plan genauso umsetzen können und hätte sich nur ein wenig damit beeilen müssen.

Falls man jemanden besuchen will, der im Wald wohnt, ist man meistens dazu gezwungen, den Wald vorher zu durchqueren. Wenn zum Beispiel der Privathelikopter mal wieder in Reparatur ist. Das nervt immer, wenn das passiert, nicht wahr?!
Vielleicht hätte die Moral lieber so umformuliert werden sollen, dass man seltsamen Gestalten, die im Wald Kinder ansprechen, eher nicht vertrauen sollte. Doch selbst dann hätte der Wolf das leckere Rotkäppchen auf der Stelle fressen können und hätte nur auf die knochige, alte Oma verzichten müssen.
Daher wäre es vielleicht ein noch besserer Ratschlag, sein Kind nicht allein in einen Wald voller wilder Tiere zu schicken - so komisch es auch klingen mag...



GLÜCK IM UNGLÜCK

"Hans im Glück" handelt, wie sollte es anders sein, von einem jungen Mann namens Hans, der zu Beginn der Geschichte unverschämt reich ist und dann durch Missgeschicke und seine Naivität am Ende völlig pleite ist.

Für seinen sieben Jahre währenden Gesellendienst bekommt Hans einen Goldklumpen in der Größe seines Kopfes. Er tauscht das Gold gegen ein Pferd, da er zu faul ist, zu Fuß zu gehen und seinen Goldklumpen mit sich zu schleppen. Als das Pferd ihn abwirft, tauscht er es gegen eine Kuh, die ihm beim Melken mit der Hinterhufe gegen den Kopf tritt. So tauscht er die Kuh gegen ein Schwein, das er wiederum gegen eine Gans tauscht, die er schließlich gegen zwei Wetzsteine tauscht. Doch leider fallen die Steine in einen Brunnen und so steht Hans mit leeren Händen da.
Aber anstatt sich darüber zu ärgern, ist er heilfroh, nicht mehr die Verantwortung tragen zu müssen, die mit seinen kurzzeitigen Besitztümern verbunden waren.

"Hans, als er sie mit seinen Augen in die Tiefe hatte versinken sehen, sprang vor Freuden auf, kniete dann nieder und dankte Gott mit Thränen in den Augen, daß er ihm auch diese Gnade erwiesen und auf eine so gute Art von den Steinen befreit, das sey das einzige, was ihm noch zu seinem Glück gefehlt. 
"So glücklich wie ich, rief er aus, giebt es keinen Menschen unter der Sonne." 
Mit leichtem Herzen und frei von aller Last sprang er nun, bis er daheim bei seiner Mutter war."


Wahrscheinlich hat Hans dabei an die vier edlen Wahrheiten des Buddha gedacht und eingesehen, dass Leiden durch Verlangen entsteht und man durch die Eliminierung von Gier und Verlangen das Leid besiegen kann. Um es mit den Worten von Tyler Durden aus "Fight Club" auszudrücken: "The things you own end up owning you".
Oder wie es einmal ein großer Sprechgesangs-Artist poetisch auf den Punkt brachte: "Mo Money, Mo Problems!".



DOWN THE RABBIT HOLE

Das Märchen von der "Frau Holle" handelt von zwei Schwestern: Eine ist schön und fleißig, die andere faul und hässlich. Die Mutter liebt ihre faule Tochter, nicht aber die schöne. Ein Grund dafür wird in der ersten Fassung der Geschichte noch nicht genannt. Erst in späteren Auflagen der "Kinder- und Hausmärchen" wird uns eine Erklärung für die Ungleichbehandlung nachgeliefert: Nun ist nur die faule Tochter das leibliche Kind der Frau und die fleißige ihre Stieftochter.
Die hübsche Schwester muss alle Hausarbeiten erledigen. Eines Tages fällt ihr beim Spinnen eine Spindel in den Brunnen. Die böse Stiefmutter zwingt sie, die Spindel zurückzuholen, wobei das Mädchen in den Brunnen fällt. Auch hier unterscheidet sich die erste Fassung von späteren drastisch. In der ersten Auflage gibt es keine Spindel. Hier fällt die fleißige Tochter einfach so in den Brunnen wie ein Trottel.

"Einmal war das Mädchen hingegangen, Wasser zu holen, und wie es sich bückte den Eimer aus dem Brunnen zu ziehen, bückte es sich zu tief und fiel hinein." 


Das Mädchen verliert das Bewusstsein und wacht auf einer Blumenwiese auf. Dort begegnet sie einem sprechenden Ofen, der sie bittet, Brote aus ihm herauszuholen, was sie auch tut. Danach kommt sie an einem Apfelbaum vorbei, der sie anfleht, ihn zu schütteln. Seine Früchte sind reif und jedes Kind weiß ja, dass Apfelbäume auf hilfsbereite Menschen angewiesen sind, denn die reifen Äpfel fallen ja nicht von allein ab. Das wäre ja absurd!

Die junge Frau begegnet schließlich der Frau Holle und arbeitet eine Weile für sie. Trotz ihrer unglücklichen Familiensituation bekommt das fleißige Mädchen irgendwann Heimweh und bittet Frau Holle, nach Hause gehen zu dürfen. Zuvor wird sie aber noch mit einem Goldregen überschüttet.
In der echten Welt wäre dies wohl nicht unbedingt eine gute Sache, da Gold einen Schmelzpunkt von über 1000 Grad Celsius hat. Aus der historischen Dokumentation "A Game of Thrones" wissen wir, dass mit geschmolzenem Gold überzogen zu werden eher negative Konsequenzen für den menschlichen Körper haben könnte.



Zurück in der langweiligen echten Welt, wo es keine Magie gibt, wird das Mädchen von einem sprechenden Hahn begrüßt.


"Darauf ward das Thor verschlossen und das Mädchen befand sich oben auf der Welt, nicht weit von seiner Mutter Haus und als es in den Hof kam, saß der Hahn auf dem Brunnen und rief:
"Kikeriki
unsere goldene Jungfrau ist wieder hie!""





Die Mutter schickt daraufhin ihre faule Tochter ebenfalls in die Brunnenwelt, um dadurch reich zu werden. Doch sie macht erwartungsgemäß alles falsch. Sie ignoriert das Bitten und Flehen des Ofens und des Apfelbaums und macht bei Frau Holle einen miesen Job. Als sie wieder nach Hause gehen möchte, überzieht sie Frau Holle als Lohn für ihren schlechten Job mit flüssigem Pech, das ihr Leben lang nicht mehr weggeht.

Das scheint schon ein wenig drastisch. Schließlich ist das Mädchen zwar stinkend faul, was bei ihrer Erziehung nicht verwundert, nicht aber wirklich bösartig. Wenn in unserer Zeit jeder faule Mensch von seinem Arbeitgeber für immer mit Teer überzogen werden würde, lebten wir in einer recht düsteren Welt.
Obwohl die Strafe, lebenslang entsetzlich enstellt zu sein, an sich schon recht drastisch ist, kann sich der sprechende Hahn bei der Wiederkehr einen hämischen Kommentar nicht verkneifen. Was für ein Arsch.


"Da kam die Faule heim, aber sie war ganz mit Pech bedeckt, und der Hahn auf dem Brunnen, als er sie sah, rief
"kikeriki,
unsere schmutzige Jungfrau ist wieder hie."

Das Pech aber blieb fest an ihr hängen und wollte, so lange sie lebte, nicht abgehen."



Wenn ich die faule Tochter wäre, hätte ich mich mit einem leckeren Festmahl getröstet. Vielleicht Hühnchen...


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MARIOS MÄRCHENSTUNDE

Teil 1: "Fressen und gefressen werden"
Teil 2: "Sieben auf einen Streich"
Teil 3: "Schön blöd"
Teil 4: "Das hat dir der Teufel gesagt!"
>>Teil 5: "Wie im Märchen?"