4. April 2014

PROPAGANDA-FAKTENCHECK: Die Zeugen Jehovas


In dieser neuen Reihe überprüfen wir gemeinsam fantastische Propaganda von religiösen Gruppen auf ihren Wahrheitsgehalt. Wir beginnen mit der Broschüre "Das Leben - Reiner Zufall?" von den Zeugen Jehovas - hier als pdf zum download verfügbar.


Wie gewinnt man eine Debatte, die längst entschieden ist? Nun, da gibt es einige verbreitete hinterfotzige Methoden, die auf Verwirrung und Lügen basieren, anstatt auf Fakten und Aufklärung. Eine davon, die so genannte Strawman-Taktik, wird von den Zeugen bereits im Titel der Broschüre benutzt.
Dabei behauptet man einfach, dass sein Gegner eine bestimmte Meinung vertritt und argumentiert dagegen, geht aber auf die Argumente, die tatsächlich gemacht werden, gar nicht ein. Das geschieht entweder mit Absicht - da man weiß, dass man die wirkliche Debatte schon längst verloren hat - oder aber aus Dummheit, weil man die Theorien seiner Opponenten nicht versteht, trotzdem aber seine Klappe nicht halten kann.

Ohne nur eine einzige weitere Zeile außer dem Titel zu kennen, mache ich mal eine Vorhersage, die keine Nostramdamus-artigen Fähigkeiten bedarf: Die Zeugen werden in diesem Heft die Evolutions-Theorie derart falsch wiedergeben, dass die Argumente dagegen nur die Strohmann-Version betreffen, nicht aber echte wissenschaftliche Erkenntnisse.
Wenn man Biologen fragt, wie man den Reichtum an verschiedenen Lebensformen auf unserem Planeten erklären kann, werden sie wahrscheinlich etwas von natürlicher Auslese berichten, dem Schlüsselprozess der Evolution, der alles andere als zufällig ist. In der Fantasie der Zeugen Jehovas würde ein Wissenschaftler auf die selbe Frage allerdings mit einem Schulterzucken reagieren und sagen: "Die wissenschaftliche Position: Es war Zufall."


"Viele christliche Fundamentalisten behaupten, die Erde und alles Leben darauf sei in sechs buchstäblichen Tagen erschaffen worden, und das vor nur wenigen Tausend Jahren. Will man dagegen Atheisten glauben, dann gibt es keinen Gott, die Bibel ist ein Buch voller Mythen und das Leben ist ein reines Zufallsprodukt."

Hier kommt der nächste Strohmann: Atheisten glauben nicht an Gott, mehr nicht. Die meisten behaupten ganz und gar nicht, zu wissen, dass es keine Wesen gibt, die mit dem weit gefächerten Ausdruck "Götter" bezeichnet werden könnten. Wenn man wirklichen Atheisten "Glauben schenkt", dann glaubt man ihnen, dass sie nicht an Götter glauben. Mehr nicht.
Atheist zu sein, bedeutet auch nicht, an die Evolutionstheorie zu glauben. Und - wie bereits erwähnt: Die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Evolution zu akzeptieren, bedeutet in keiner Weise, das Leben als Produkt von Zufall anzusehen und auch nicht, die Existenz von Göttern auszuschließen. Die Wissenschaft bietet lediglich natürliche Erklärungen und macht Gott zum Verständnis bestimmter Dinge - wie Evolution - unnötig.

Ein weiterer geschickter Schachzug ist, es so aussehen zu lassen, als wären die Zeugen Jehovas keine Fundamentalisten, was ihrem öffentlichen Image total widerspricht:

"Von verschiedenen Wissenschaftlern werden die Zeugen Jehovas dem christlichen Fundamentalismus zugeordnet. [32][33][34][35]
[http://de.wikipedia.org/wiki/Zeugen_Jehovas]


Im ersten Kapitel wird lang und breit erklärt, dass die Erde für uns Menschen wirklich ein erstaunlich guter Lebensraum ist. Wäre die Erde oder das ganze Universum nur ein ganz klein wenig anders beschaffen, könnten wir dort nicht überleben.
Die Begründung dafür, laut Zeugen Jehovas: Gott hat die Erde speziell für unsere Bedürfnisse erschaffen. Mit Ausnahme der 70% des Planeten, der mit Wasser bedeckt ist. Und Wüsten. Und Nordpol und Südpol. Ohne menschliche Innovationen wie Kleidung ist noch ein größerer Teil unseres Planeten, inklusive Nordeuropa, ebenfalls unbewohnbar.
Der Beweis: Die Bibel sagt es so und Gott lügt ja nicht.

Die Erklärung der Wissenschaft für das selbe Phänomen: Komplexe Lebensformen wie der Mensch werden durch natürliche Auslese erschaffen. Das bedeutet, dass über kurz oder lang jeweils immer nur die am besten an ihre Umwelt angepassten Organismen überleben und ihre Gene weitergeben. Dieser Prozess ist beobachtbar und millionenfach bewiesen.
Und weil leider alle unserer Vorgänger kinderlos sterben müssen, sofern sie nicht gut genug an die Verhältnisse unserer Erde angepasst sind, ist es eben kein Wunder, dass wir Menschen nach mehr als drei Milliarden Jahren Evolution sehr gut an unsere Umwelt angepasst ist.
Die Zeugen dagegen behaupten das Gegenteil und meinen, dass nicht nur unser Planet, sondern gleich das ganze Universum nur mit dem Zweck erschaffen worden ist, dass wir dort wohnen können. Auch wenn 99,999999% des Universums für uns unbewohnbar ist. Ein wenig größenwahnsinnig, wenn ihr mich fragt.

Im nächsten Abschnitt wird uns berichtet, dass es Aber-Millionen von sehr unterschiedlichen Lebensformen gibt. So weit so gut. Aber dann ...

"Ist diese eindrucksvolle Vielfalt des Lebens durch bloßen Zufall entstanden?"

Nein. Durch Evolution.

Wir lernen ein weiteres Lieblings-Werkzeug von manipulativen Lügnern (oder Idioten) kennen: Das "falsche Dilemma". Dabei wird eine Situation auf zwei Möglichkeiten begrenzt, wenn es in Wahrheit nicht nur diese zwei gibt. In diesem Fall: Entweder man glaubt an Jehova oder an Zufall.
Ich fürchte, dieses falsche Dilemma wird einfach bis zum Erbrechen wiederholt - Repetition ist schließlich ein wichtiges Element in jeder Propaganda.

Und tatsächlich: Auch auf den folgenden Seiten wird uns kein einziges Argument gegen die Evolutionslehre geliefert, sondern immer nur gegen den Strohmann "Zufall". Z.B. hier:

"Ist es logisch anzunehmen, dass die beeindruckenden Formen und Strukturen in der Natur rein zufällig entstanden sind?"


So kommen wir nicht weiter ...

Wenn man sich die Situation genauer anschaut, sprechen die Argumente eher gegen die Position der Zeugen als für sie, wie üblich. Sicher, es gibt jede Menge Tiere, die beeindruckende Fähigkeiten haben. Dies kann man in beiden Szenarios erwarten, ob nun ein Schöpfer hinter dem Design steckt oder ob sich Individuen seit Jahrmilliarden durch natürliche Auslese entwickelt haben. Was man bei einem allmächtigen Schöpfer aber zusätzlich erwarten kann, ist, dass alle Lebewesen perfekt und ohne Baufehler sind. Das ist jedoch nicht der Fall.
Nehmen wir den Menschen: Wir besitzen Überbleibsel unser Evolution, die uns nichts nützen. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele, wie zum Beispiel die gute, alte Gänsehaut. Bei unseren stärker behaarten Vorfahren stellten sich dadurch die Haare auf, was sie bei Kälte besser kuschelig warm hielt und in Gefahrensituationen etwas größer erscheinen ließ. Ähnliches lässt sich unter anderem bei Hunden beobachten: Wenn sie nervös sind, stellen sie auf ihre Nackenhaare wie eine Irokesenfrisur auf, um potentielle Gegner zu beeindrucken. Andere Tiere haben unterschiedliche Strategien entwickelt, die die selbe Funktion erfüllen und das Individuum größer aussehen lassen als sie sind: Der Kugelfisch bläst sich beispielsweise mächtig auf, wie ein Luftballon.

Das Haare-zu-Berge-stehen-lassen funktioniert bei uns nackten Affen nicht mehr, dennoch bekommen wir eine Gänsehaut, wenn wir uns gruseln oder wenn uns sehr kalt ist. Wir haben Muskeln an den Ohren, die aber bei den meisten Leuten nicht kontrollierbar sind - im Gegensatz zu bestimmten Affen, die mit ähnlicher, aber stärkerer Muskulatur ihre Ohren bewegen und in die Richtung einer Klangquelle richten können. Wir haben einen Überrest eines Schwanzes, das Steißbein. Selbst der genetische Bauplan für einen kompletten Schwanz ist noch in unserer DNA vorhanden, er ist lediglich ausgeschaltet. Bei einigen Kindern wird jedoch durch Mutationen der alte Plan vom Schwanz (hinten) wieder eingeschaltet. Im Mittelalter hat man solche Babys in den Brunnen geworfen, weil man sie für vom Teufel verflucht hielt.
Heutzutage wird der Schwanz kurz nach der Geburt chirurgisch entfernt und wenn die Eltern einem das nicht erzählen, weiß man nie, dass man mal einen Schwanz hatte. Wahrscheinlich ist die heutige Methode doch etwas humaner.




Wie erklären die Zeugen Phänomene wie Atavismus - das Vorhandensein von ausgeschalteten Genen von Vorfahren? Warum werden ab und zu Hühnchen mit Zähnen geboren, wenn Vögel nicht von Tieren mit Zähnen abstammen? Warum ist das Design unserer Körper erstaunlich beeindruckend, nicht aber perfekt? Warum haben wir ein Organ wie den Blinddarm, ohne das man wunderbar leben kann, wie Millionen von Patienten mit entfernten Blinddarm seit der Erfindung der Notfallmedizin bewiesen haben? Nicht nur, dass der Blinddarm keinen wissenschaftlich erwiesenen Nutzen hat, er kann sich auch noch entzünden, was einen ohne medizinischen Noteingriff schmerzhaft umbringen kann ...
Wissenschaftler erklären dies damit, dass sich Organe, die ein Lebewesen nicht braucht, langsam zurückentwickelt. Das Schlüsselwort ist, wie eigentlich immer bei evolutionären Vorgängen: Langsam. Bevor das unnötig gewordene Organ ganz verschwunden ist, wird es von Generation zu Generation immer kleiner und verliert dabei irgendwann jegliche Funktion. Das erklärt beim Menschen den Blinddarm, das Steißbein, Ohrmuskeln und die Weisheitszähne, beim Kiwi verkümmerte, nutzlose Flügelchen und beim Maulwurf die Augen.
Die Zeugen erklären diese Phänomene einfach gar nicht und verschweigen ihre Existenz. Auch eine Methode. Keine gute allerdings, fürchte ich.



„Die Evolution ist genauso ein Fakt wie die Tatsache, dass die Sonne heiß ist“, behauptet Professor Richard Dawkins, ein bekannter Evolutionsbiologe. Dass die Sonne heiß ist, lässt sich durch Experimente und direkte Beobachtungen belegen. Ist die Evolutionslehre aber ebenso eindeutig zu beweisen?"

Ja, durchaus. Evolution ist beobachtbar und nicht erst seit gestern. Siehe, z.B. hier.

Aber irgendwie glaube ich nicht, dass die Zeugen das wissen oder wissen möchten. Wieso nicht stattdessen einfach ein paar mehr Lügen über die Evolutionstheorie verbreiten?
So werden drei angebliche Mythen der Evolution präsentiert.

Übersehen wird dabei oft, dass die Evolutionslehre eigentlich auf drei Mythen beruht.
Mythos 1: Mutationen sind die Ausgangsbasis für die Entstehung neuer Arten.

Es wird behauptet, Menschen hätten trotz intensiver Bemühung niemals experimentell nachweisen können, dass genetische Mutationen zur Entstehung einer neuen Spezies geführt hat. Dazu lässt sich nicht viel entgegnen, außer dass es absoluter Schwachsinn ist.

Wenn also schon hochintelligente Wissenschaftler nicht in der Lage sind, neue Arten zu schaffen, indem sie Mutationen künstlich herbeiführen und positive Mutationen auswählen, wie groß ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass durch bloßen Zufall, sprich ohne Intelligenz, so etwas zustande kommt?

Um durch künstlich herbeigeführte genetische Veränderung neue Arten zu erschaffen, muss man weder Wissenschaftler sein, noch hochintelligent. Unsere Vorfahren haben das vor tausenden Jahren auch ohne Universitätsstudium geschafft und haben so beispielsweise das gemeine Schaf erschaffen.
Das domestizierte Schaf stammt von einem Tier namens "Ovis Orientalis" ab, kann mit ihm aber keinen fruchtbaren Nachwuchs zeugen, was automatisch bedeutet, dass es nicht die selbe Spezies ist.
Nur wenn zwei Tiere Kinder haben können, die sich wiederum selbst auch fortpflanzen können, nur dann handelt es sich bei den beiden um Vertreter der selben Spezies.
So sind Löwen und Tiger unterschiedliche Spezies, da sie zwar ultracoole Nachkommen zeugen können (Töwe oder Liger), diese aber stets unfruchtbar sind. Das selbe gilt für Esel und Pferde, deren Kinder (Maultier oder Maulesel) ebenfalls steril sind.

Ich hoffe, ich muss zu dem "bloßen Zufall"-Schmarr'n nicht mehr sagen, ich habe nur (einige) der Wiederholungen des immer gleichen Unsinns zitiert, um mal aufzuzeigen, mit welchen billigen Tricks die Zeugen versuchen, Leute für dumm zu verkaufen.

Ich hoffe, ich muss zu dem "bloßen Zufall"-Schmarr'n nicht mehr sagen, ich habe nur (einige) der Wiederholungen des immer gleichen Unsinns zitiert, um mal aufzuzeigen, mit welchen billigen Tricks die Zeugen versuchen, Leute für dumm zu verkaufen.

Ich hoffe, ich muss zu dem "bloßen Zufall"-Schmarr'n nicht mehr sagen, ich habe nur (einige) der Wiederholungen des immer gleichen Unsinns zitiert, um mal aufzuzeigen, mit welchen billigen Tricks die Zeugen versuchen, Leute für dumm zu verkaufen.


Mythos 2: Durch natürliche Auslese entstehen neue Arten. 
Der Begriff „natürliche Auslese“ geht auf Darwin zurück. Danach könnten sich die bestangepassten Lebewesen behaupten, während die weniger gut angepassten irgendwann aussterben würden. Evolutionsforscher gehen davon aus, dass sich bestimmte Arten ausbreiteten und dabei isolierte Populationen bildeten. Die natürliche Auslese habe dann dafür gesorgt, dass nur die Organismen überlebten, die durch ihre Genmutationen in der neuen Umgebung im Vorteil waren. Aus den isolierten Populationen sollen sich so im Lauf der Zeit völlig neue Arten entwickelt haben.

Eine erstaunliche korrekte Definition des Begriffs, bis auf den unnötigen Konjunktiv. Also wisst ihr doch, liebe Zeugen, dass die wissenschaftliche Erklärung nicht "Reiner Zufall" ist. Warum nicht gleich so?

Das Gegenargument ist absurd: Es wird ein prominentes Beispiel, die so genannten "Darwin-Finken" erwähnt und dann einfach behauptet es handele sich nicht um Artenbildung, da die Darwin-Finken sich untereinander paaren können - was absolut nicht stimmt und Wissenschaftlern sicherlich ohne die Hilfe der Zeugen Jehovas aufgefallen wäre, wenn es wahr wäre ...


Der dritte "Mythos" ist übrigens, dass gefundene Fossilien ausnahmslos die Evolutionslehre stützen würde. Man hatte wohl keine Lust mehr auf Strohmänner und ist direkt in schamlose Lügen übergegangen. Herzlichen Glückwunsch, Zeugen!


"An den Fossilfunden kann man erkennen, dass sich die verschiedenen Arten über lange Zeiträume nur sehr minimal verändert haben."

Das ist purer Unsinn.

Siehe, z.B.:




Die Evolution des Wals


Die Evolution des Pferdes



Die Evolution des Menschen


Zusätzlich wird das Bullshitlevel-o-meter in die Höhe getrieben, indem die Begriffe "Mikroevolution" und "Makroevolution" eingeführt werden. Laut Zeugen könne "Mikroevolution" beobachtet werden, also geringfügige, vorteilhafte genetische Veränderungen von Tieren innerhalb einer Spezies, nicht aber die Bildung einer neuen Art.

In Wirklichkeit ist Makroevolution und Artenbildung nichts anderes als eine Reihe von mikroevolutionären Schritten. Dies lässt sich am besten mit dem speziellen Fall der Ring-Spezies erläutern.



Der Name "Ring-Spezies" ist ziemlich irreführend, da es absolut bedeutend ist, dass der Ring sich nicht schließen lässt und eher ein Hufeisen ist.
Es handelt sich dabei um ein oft beobachtetes Phänomen, zum Beispiel bei bestimmten Vogelarten. Eine Spezies siedelt sich an Punkt A (siehe Illustration oben) an und verbreitet sich langsam im Halbkreis. Allerdings nur in eine Richtung, da es keine Landverbindung zwischen A und Z gibt.
Die Bewohner von B sind der Ursprungsbevölkerung genetisch ziemlich ähnlich, aber nicht gleich. Das selbe gilt für B und C, C und D, D und E, usw. Doch die kleinen Veränderungen (Mikroevolution) summieren sich, so dass A und Z derart unterschiedlich sind, dass sie keine Kinder kriegen können, auch wenn man sie in das selbe Wohngebiet bringen würde.

A und Z sind also nicht die gleiche Spezies - sie können keine Nachkommen produzieren. Aber wo ist die Grenze von einer Spezies zur anderen? Da Nachbarn sich immer paaren können, lässt sich keine ziehen. Wir können nur sinnvoll von "Spezies" oder "Art" reden, wenn wir zwei Lebewesen vergleichen.

Das ist nicht nur bei Ringspezies so - Kinder werden niemals eine verschiedene Spezies sein als ihre Eltern.
Da sie jedoch auch nicht identisch sind, gibt es kleine Veränderungen, die sich über einen sehr langen Zeitraum anhäufen. Und irgendwann ist die neue Generation genetisch so unterschiedlich im Vergleich zu ihren Ur-ur-ur-ur-...-urgroßeltern, dass sie einer verschiedenen Spezies angehören.
Das heißt, wenn Zeitmaschinen erfunden werden, können wir eventuell unseren Ödipuskomplex ausleben und unsere Mütter schwängern und so unser eigener Vater werden, wir könnten auch unser eigener Großvater werden - wir können allerdings niemals unser eigener Ur-ur-ur-ur-ur-ur-...-großvater werden, dies ist genetisch unmöglich.
Gut zu wissen, so für die Zukunft.

Leider verstehen die Autoren der Proganda-Broschüre dies nicht einmal annähernd:

Man muss auch glauben, dass alle komplexen Lebensformen durch Mutationen und natürliche Auslese entstanden sind, obwohl hundert Jahre Forschung gezeigt hat, dass sich durch Mutationen keine einzige klar definierte Art in eine ganz andere verwandelt hat.

Niemand behauptet, dass eine Art sich in eine andere "verwandelt". Magie ist die Erklärung der Bibel, nicht die der Wissenschaft.
Aber das kleine genetische Veränderungen über eine gewissen Zeitraum hinweg zu Bildung neuer Spezies führen, muss man nicht glauben, das ist tausendfach bewiesen.
Natürlich haben die Zeugen, deren Ansichten auf nichts als Wunschdenken beruht ein großes Interesse, es so aussehen zu lassen, als würde Evolution ebenso auf unbewiesenen Behauptungen aufgebaut sein und man es glauben kann oder auch nicht.

"Letzten Endes ist also auch die Evolution eine „Glaubenssache“."

Das Problem ist nur, dass das nichts mit der Realität zu tun hat, aber das stört streng-religiöse Menschen eher selten.



Zusätzlich bekommen wir in der Broschüre immer wieder Zitate von "Experten":

„Wenn das Ökosystem der Erde wirklich nur durch Zufall entstanden wäre, hätte das Gleichgewicht in der Natur niemals ein so absolut hohes Niveau erreichen können“, schreibt der Theologe und Wissenschaftsautor M. A. Corey.

Nur weil ein Mensch mit einem akademischen Titel etwas behauptet, wird es dadurch natürlich nicht wahrer. Doch genau das sollen wir glauben.
Dabei geht die Strategie nach hinten los, wenn man sich die Qualifikationen der angeblichen Fachleuten ansieht, die hier zitiert werden. M.A.Corey zum Beispiel, der uns gerade etwas vom Ökosystem der Erde erzählt hat: Welche akademische Qualifikationen hat der Gentleman wohl?
Hat er einen Abschluss in Biologie oder Ökologie in Harvard, Oxford oder der Sorbonne gemacht? Mit nichten: Er hat keinen akademischen Grad in irgendeiner Naturwissenschaft, sondern nur einen Theologie-Abschluss an einer Privat-Uni.
Das bedeutet natürlich nicht, dass er automatisch unrecht hat. Aber wenn man schon versucht, durch angebliche "Experten" biblische Sichtweisen einen Anschein von akademischer Glaubwürdigkeit zu verleihen, dann sollte man sich doch ein kleines bisschen mehr Mühe geben ...




FAZIT:

Die Hauptstrategie der Propaganda ist, die Leser von der Existenz eines falschen Dilemmas zu überzeugen: Entweder die Erklärung der Zeugen (Bibel) ist korrekt, oder aber es gibt keine Erklärung und alles basiert auf reinem Zufall.
Durch ständige Wiederholung wird uns diese absurde Sichtweise eingebleut: Entweder ist die Erde durch einen Gott erschaffen, aber natürlich nicht irgendeinem, sondern dem christlichen, und auch nicht irgendeinem christlichen Gott, sondern der speziellen Interpretation der Zeugen Jehovas. Oder aber das Leben ist völlig willkürlich und unterliegt keinerlei Gesetzen.

Sind die Autoren einfach wissenschaftlich unterbelichtet oder lügt man hier offensichtlich? Die Tatsache, dass ständig davon die Rede ist, dass Evolution das selbe ist wie "reiner Zufall", lässt auf letzteres schließen (wobei ich ersteres damit nicht völlig ausschließen will).
Relativ spät wird der Prozess der natürlichen Auslese ziemlich korrekt erklärt. Dies zeigt, dass die Autoren eben doch wissen, dass die wissenschaftliche Erklärung für die Entstehung der Arten nicht "bloßer Zufall" ist, was sie wieder und wieder so aussehen lassen.

Es ist eigentlich schon ein wenig traurig, dass es auch im 21. Jahrhundert in Westeuropa Menschen gibt, die die Evolutionslehre nicht akzeptieren. Und dass, obwohl sie noch nicht einmal das geringste Grundverständnis davon haben, was sie eigentlich bedeutet.


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